Statt EU-Vertrag lieber die Verfassung Boliviens

on


Der EU-Vertrag ist auf dem besten Wege in Kraft zu treten. Er zementiert alles, was wir an unserer Gesellschaft nicht mögen - dabei geht es auch ganz anders. Was wir in Deutschland nur erträumen können, ist in Bolivien seit Anfang des Jahres Realität: Am 25. Januar 2009 gründete sich das Land neu und das Volk gab sich per Volksentscheid eine neue Verfassung - bei einer Wahlbeteiligung von 90 Prozent stimmten 62 Prozent mit „Ja" und feierten dann ausgiebig auf den Straßen.

Die Verfassung ist so angenehm anders, dass man es als Europäer kaum glauben kann - ein ermutigendes Beispiel, aber auch ein scharfer Kontrast zum EU-Vertrag von Lissabon, der so ziemlich das Gegenteil zur bolivianischen Verfassung darstellt.

Der indigene Präsident Evo Morales feierte Bolivien als "Land der Chancengleichheit für alle". Und ähnlich ist es auch im Vorwort der Verfassung zu lesen:

"[...] aus der Tiefe der Geschichte kommend, inspiriert von den Kämpfen der Vergangenheit [...] erschaffen wir heute einen neuen, auf Respekt und Gleichheit gründenden Staat, mit den Prinzipien Selbstbestimmung, Würde, Vervollkommnung, Solidarität, Harmonie und Gerechtigkeit in der Verteilung und Umverteilung des Sozialprodukts. Wir erschafen einen Staat, in dem das Streben nach dem guten Leben vorherrscht, mit Respekt vor der wirtschaftlichen, sozialen, rechtlichen, politischen und kulturellen Vielfalt der Bewohner dieses Landes. Im gemeinsamen Zusammenleben soll jeder Mensch Zugang zu Wasser, Arbeit, Bildung, Gesundheit und Heim haben."


Was ist so revolutionär an der Verfassung?

Die Verfassung könnte einen neuen Weg des Sozialismus begründen und gibt vielleicht die richtigen Antworten auf viele Probleme unserer Zeit. Sie ist darauf ausgerichtet "ein gutes Leben" für die Bürger zu ermöglichen (ähnlich wie in der Verfassung Bhutans, in der die Steigerung des Bruttonationalglücks das oberste Gebot ist) - und das war ja ursprünglich auch der Sinn eines Staates.

Dazu geht Bolivien in Zukunft ein paar radikale Schritte:
Das indigene Prinzip des "guten Lebens" ist als rechtliche Grundorientierung in die Verfassung aufgenommen. Wie keine zuvor schützt sie dazu das Individuum durch liberale staatsbürgerliche Rechte.
Erstmals wird die Pachamama, die Mutter Erde, als philosophisch-juristische Kategorie zur Sicherung des Allgemeinwohls in eine Verfassung aufgenommen.
Naturgüter und öffentliche Leistungen gelten als Menschenrecht und dürfen nicht privatisiert werden. Die natürlichen Ressourcen Boliviens sind ab sofort gemeinschaftliche Güter gesellschaftlichen Eigentums.
Auch Land ist Gemeinschaftsgut und für Grundbesitz gilt eine Höchstgrenze von 5000 ha. Wenn privates Land seine „landwirtschaftliche und soziale Funktion" nicht erfüllt, darf es vom Staat beschlagnahmt werden.
Wasser, Strom und Telefon sind zukünftig Menschenrechte, die „kein privates Business, sondern eine öffentliche Dienstleistung sind", wie Präsident Morales betont. Wichtige Wirtschaftszweige wie Öl, Gas, Telekommunikation, Transport, Wasser und Strom werden daher Allgemeingut.
Erstmals erhalten die indigenen Völker Boliviens umfassende Rechte zur kulturellen Selbstbestimmung, inklusive eigenständiger Verwaltung und Rechtsprechung.
Demokratie wird durch außerparlamentarische, kommunale und indigene Autonomien, sowie durch Raum für Eigenverantwortung dezentralisiert.
Die Verfassung gewährt das einklagbare Recht auf Ernährung, Trinkwasser, kostenlose Bildung und Gesundheit und angemessene Bezahlung für jeden Bürger Boliviens.


10 Gebote, um den Planeten, die Menschheit und das Leben zu retten

Der Geist, den die Verfassung trägt, lässt sich gut an den „10 Geboten, um den Planeten, die Menschheit und das Leben zu retten" ablesen, die von Boliviens Präsident Evo Morales verfasst und von ihm auf der UNO-Generalversammlung vorgetragen wurden:

1. Mit dem Kapitalismus aufhören
Um den Planeten, das Leben und die menschliche Spezies zu erhalten, müssen wir mit dem Kapitalismus aufhören. Es ist Zeit, die finanziellen Schulden des Südens gegen die ökologischen Schulden des Nordens aufzurechnen.

2. Auf Kriege verzichten
Nichts und niemand kann sich aus einem Krieg ausschließen. Die Kriege sind die größte Verschwendung und Plünderung von Leben und der natürlichen Ressourcen. Wir, die indigenen Völker des Planeten, müssen der Welt sagen, dass wir glauben, dass die Millionen und Millionen von Dollar, die heute in die Industrie des Todes investiert werden, in einen großen gemeinsamen Fonds gehen sollten, um den Planeten, die Menschheit und das Leben zu retten.

3. Eine Welt ohne Imperialismus und Kolonialismus
Das kapitalistische System trägt in seinen Eingeweiden den Imperialismus und den Kolonialismus. Den anderen zu beherrschen, den anderen zu unterwerfen, den anderen zu kontrollieren und den anderen unterzuordnen sind die Formen des „Lebens" dieses Modells der „Entwicklung", die auf der Konkurrenz basiert und nicht auf der Ergänzung/Vollständigkeit.

4. Das Wasser als Recht aller Lebewesen
Ohne Wasser gibt es kein Leben. Der Grundwasservorrat geht weltweit zurück. Um uns mit dieser Weltkrise des Wassers auseinanderzusetzen, müssen wir damit anfangen, den Zugang zu Wasser als Menschenrecht zu erklären und folglich als eine öffentliche Dienstleistung, die nicht privatisiert werden kann. Wenn das Wasser privatisiert und vermarktet wird, können wir kein Wasser für alle garantieren. Es ist fundamental, den Zugang zu Wasser zum Menschenrecht zu erklären.

5. Saubere und umweltfreundliche Energiearten
Einige Daten ermöglichen uns zu verstehen, was in der Welt im Hinblick auf die Anwendung von Energie und ihre Beziehung zur Natur vor sich geht. Die Entwicklung sauberer und umweltfreundlicher Energien ist eine weitere grundlegende Aufgabe zur Rettung des Planeten, der Menschheit und des Lebens.

6. Achtung vor der Mutter Erde
Der Schändung unserer Mutter Erde und aller ihrer Lebewesen werden wir mit der Kraft der Erkenntnis und der Liebe zur Schöpfung entgegenwirken. Die Erde kann nicht nur als eine natürliche Ressource angesehen werden. Wir respektieren die Natur, ehren unsere Mutter Erde und erkennen die Naturgesetze als höchstes Gesetz an.

7. Die Grunddienstleistungen als Menschenrecht
Der Zugang zu Wasser, Energie, Bildung, Kommunikation, Gesundheit und Transport ist ein Grundrecht, das jeder Staat seiner Bevölkerung als grundlegendes Menschenrecht garantieren muss. Diese Dienstleistungen können nicht zu privaten Geschäften gemacht werden. Sie müssen zur Grundlage der öffentlichen Dienste werden.

8. Verbrauchen, was notwendig ist, und Konsum des lokal Produzierten
Wir müssen Schluss machen mit dem Konsumismus, der Verschwendung und dem Luxus. Im ärmeren Teil des Planeten verhungern jedes Jahr Millionen Menschen; gleichzeitig werden im reicheren Teil des Planeten Millionen Dollar ausgegeben, um die Fettleibigkeit zu bekämpfen. Wir verbrauchen im Exzess, wir vergeuden Naturressourcen und produzieren Müll, der die Mutter Erde vergiftet. Verbrauchen, was notwendig ist, und dem Verbrauch dessen, was wir lokal produzieren, den Vorrang geben, das ist von erstrangiger Bedeutung, um den Planeten, die Menschheit und das Leben zu retten.

9. Respekt vor kultureller und wirtschaftlicher Vielfalt
Der Kapitalismus reduziert die Menschen auf ein Leben als Konsumenten. Wir - die indigenen Völker dieses Planeten - glauben nicht an Einheitslösungen für alle. Menschen sind verschieden. Wir leben in Gemeinschaften mit Identitäten, mit eigenen Kulturen. Eine Kultur zu zerstören, die Identität eines Volkes anzugreifen - das ist der größte Schaden, den man der Menschheit zufügen kann.

10. „Vivir Bien" - das gute Leben
Wir - die indigenen Völker dieses Planeten - wollen einen Beitrag leisten für eine gerechte, vielfältige und ausgeglichene Welt, die einschließt und nicht ausgrenzt. Wir sagen „Vivir Bien" - das gute Leben.

Ich denke, dass wir Menschen unsere Wurzeln wiederentdecken können - und sollten. Ich glaube daran, dass die Menschheit eine gerechtere Welt aufbauen kann. Eine vielfältige Welt, eine Welt, die integriert und ausgeglichen ist, eine Welt im Einklang mit der Natur, mit der Mutter Erde.


Sein.de

Visionäres Wohnen: Wie aus Sperrmüll Designerstücke werden

on


Köln, 17.04.2010: Wohnen im Müll? Das will keiner, sollte man meinen. Doch in Köln ist aus einem ehemaligen Stunden- ein „Schrott-Hotel“ entstanden. Eingerichtet ist es nur mit Gegenständen, die andere weggeworfen haben. Das Design soll trotzdem stimmen. In einer Doku-Soap hat ZDF-Neo das Projekt verfilmt. Ab dem 20. April ist der 18-tägige Umbau im Fernsehen zu sehen.Mit dabei ist „Schrott-Designer“ Oliver Schübbe. An Erfahrung mangelt es ihm nicht. Bereits 2006 war er mit der Recyclingbörse Herford Mitbegründer von „ZweitSinn“ – einem Netzwerk aus Designern und Handwerksbetrieben. Sie bündeln ihre Erfahrungen rund um die Wi ederverwertung von Möbeln in einem gemeinsamen Internet-Portal. Mit finanzieller Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ist aus dem von der Technischen Universität (TU) Dortmund entwickelten Ansatz das Konzept „Wohn-Visionen 2020“ erwachsen. Der Erfolg des Projekts – auch auf der Internationalen Möbelmesse Köln – zeigt: Leben in recycelten Möbel ist Trend.Durch Recycling Kreislaufwirtschaft stärken„Der verborgene Sinn weggeworfener Dinge“, den der Dadaist Kurt Schwitters in seinen künstlerischen Arbeiten bereits Anfang des 20. Jahrhunderts thematisierte, wird bei „ZweitSinn“ zu realen Produkten. Aus Möbeln vom Sperrmüll entwickeln die Netzwerk-Designer moderne und qualitativ hochwertige Unikate – zum Teil schon bei Wettbewerben prämiert. „Dadurch wird die Abfallmenge verringert und der Gedanke der Kreislaufwirtschaft gestärkt“, erklärt DBU-Generalsekretär Dr. Fritz Brickwedde. „Die Zeit ist überfällig, dass gebrauchte Materialien nicht achtlos ‚entsorgt’, sondern systematisch als Rohstoff angesehen werden.“ Damit werde auch die Neuproduktion mit Primärrohstoffen beschränkt. „Das schont Ressourcen und mindert den Ausstoß von Kohlendioxid“, so Brickwedde. Insgesamt 29 umweltschonende Möbel-Kleinserien haben di e kreativen Köpfe von „ZweitSinn“ bereits entworfen, die sie über ihre Homepage vertreiben.Ganze Raumkonzepte aus gebrauchten MaterialienDas 2006 gestartet Konzept hat sich auf Initiative des Instituts für Umweltforschung der TU Dortmund mittlerweile zu „Wohn-Visionen 2020“ weiterentwickelt. Ganze Zimmereinrichtungen und Raumkonzepte aus gebrauchten Materialien entwerfen die beteiligten kleinen und mittelständischen Betriebe. Auch in der Wissenschaft hat der Recycling-Gedanke Einzug erhalten und steht jetzt auf den Lehrplänen dreier an dem Projekt teilnehmender Hochschulen für Design (Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur, Akademie Gestaltung im Handwerk Münster, Kunsthochschule Kassel). Die DBU förderte das Netzwerk "ZweitSinn“ mit 120.000 Euro und unterstützt aktuell „Wohn-Visionen 2020“ mit weiteren 192.000 Euro.Neben ökologischer auch soziale Dimension des Nachhaltigkeitsgedankens stärken„Ein wichtiger Bestandteil beider Vorhaben ist aber nicht nur, die Umwelt zu entlasten, sondern auch Berufsperspektiven für sozial benachteiligte Menschen zu schaffen“, betont Verena Exner, DBU-Referentin für Umweltkommunikation in der mittelständischen Wirtschaft. So werde neben der ökologischen auch die soziale Dimension des Nachhaltigkeitsgedankens berücksichtigt. In den Projekten würden Ausbildungsplätze und Qualifizierungsmaßnahmen etwa für Tischler, Polsterer oder Glaser geschaffen. „Damit soll die Chance für Jugendliche und Langzeitarbeitslose erhöht werden, auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden“, so Exner.Bauteilbörsen an elf Standorten in Deutschland entstandenOb Fenster, Treppen oder Dachziegel, gut erhaltene Bauteile sind genauso wie Möbel zu schade für den Schredder. Das „bauteilnetz Deutschland“ bietet eine Plattform, wieder verwendbare Bauteile in die Kreislaufwirtschaft zurück zu führen. Durch finanzielle Unterstützung schob die DBU auch dieses bundesweite Kooperationsprojekt erfolgreich an. Seit Beginn 2006 sind mittlerweile an elf Standorten in Deutschland Bauteilbörsen entstanden. Brickwedde: „Die innovativen Ideen unserer Projektpartner zeigen, wie der Wohn- und Bausektor maßgeblich dazu beitragen kann, Abfall zu vermeiden, Energie einzusparen und den Kohlendioxidausstoß zu mindern.“ So sei auch eine im März durchgeführte Tagung im Zentrum für Umweltkommunikation (ZUK) der DB U zum Thema „Wiederverwendung von Bauteilen national und international“ auf großes Interesse gestoßen.Weitere Infos unter:http://www.zweitsinn.de/http://oekopro.de/wohn-vision-2020/http://www.bauteilnetz.de/

Die Befreiung der Arbeit: Das 7-Tage-Wochenende

on




Weltweit starren Manager fassungslos auf die Firma Semco: Was dort passiert, widerspricht allem, an was sie glauben. Die 3000 Mitarbeiter wählen ihre Vorgesetzten, bestimmen ihre eigenen Arbeitszeiten und Gehälter. Es gibt keine Geschäftspläne, keine Personalabteilung, fast keine Hierarchie. Alle Gewinne werden per Abstimmung aufgeteilt, die Gehälter und sämtliche Geschäftsbücher sind für alle einsehbar, die Emails dafür strikt privat und wie viel Geld die Mitarbeiter für Geschäftsreisen oder ihre Computer ausgeben, ist ihnen selbst überlassen.

Respekt als Erfolgsrezept

Was für heutige Personalchefs klingen mag, wie ein anarchischer Alptraum, ist in Wirklichkeit eine Erfolgsgeschichte. Seit das Unternehmen von Inhaber Ricardo Semler umgestellt wurde, stiegen die Gewinne von 35 Millionen auf 220 Millionen Dollar. Und nicht nur die Zahlen geben Semler recht, sondern vor allem die Mitarbeiter: Die Fluktuationsrate bei Semco liegt unter einem Prozent.

Das Rezept ist einfach: Behandele deine Mitarbeiter wie Erwachsene, dann verhalten sie sich auch so. Je mehr Freiheiten du ihnen gibst, desto produktiver, zufriedener und innovativer werden sie. Ein Unternehmen besteht aus erwachsenen gleichberechtigten Menschen, nicht aus Arbeitskräften. Jeder hat das Recht, sich frei zu entfalten und eine gesunde Balance zwischen Beruf und Privatleben zu finden. Entgegen allem, was man aktuell zu glauben scheint, machen Druck und Stress Menschen nicht produktiv, sondern ganz einfach nur kaputt. Und dabei verliert das Unternehmen letztlich genauso wie der Mensch.

Es geht Semler um ein neues Verständnis von Arbeit: Eine Firma ist ein Gemeinschaftsprojekt, im besten Fall eine geteilte Leidenschaft. Die Gesellschaft hat uns das allerdings anders beigebracht, wir sollen uns als Steinmetze, Maler und Hilfsarbeiter sehen, nicht als Kathedralen-Schöpfer. Bei Semco sind die Mitarbeiter essenzieller Teil eines Ganzen, sie sind Mit-Schöpfer, nicht bloß ein Rädchen im System. Sie haben Ideen, sie verstehen ihre Arbeit, sie wissen, was sie wert ist.

Vertrauen statt Kontrolle

Ricardo Semler SemcoAber unsere Personalchefs glauben noch immer, dass man Angestellte kontrollieren muss, über Stechuhren, feste Arbeitszeiten, Produktivitäts-Reports und Email-Spionage. Semco hat das alles aufgegeben und die Kontrolle durch Vertrauen ersetzt - und mal im Ernst: Wer will eigentlich mit Leuten zusammenarbeiten, denen man nicht trauen kann?

Für Semler ist der Kontrollwahn der meisten Unternehmen einfach nur noch verrückt. Seine Mitarbeiter erziehen ihre Kinder und wählen Gouverneure, es sind erwachsene Menschen, die selbst am besten wissen, was sie möchten und brauchen.

"Es ist völlig verrückt, diese Idee, dass die Menschen immer noch so fixiert darauf sind, wie etwas gemacht wird. Bei uns sagt keiner: 'Du bist fünf Minuten zu spät' oder 'warum geht dieser Fabrikarbeiter schon wieder aufs Klo?' [...] Wenn Du dich bei Semco im Büro umsiehst, sind da immer jede Menge leere Plätze. Die Frage ist: Wo sind diese Leute? Ich hab nicht die leiseste Idee und es interessiert mich auch nicht.

Es interessiert mich in dem Sinne nicht, dass ich nicht sicherstellen möchte, dass meine Mitarbeiter zur Arbeit kommen und der Firma eine bestimmte Anzahl Stunden pro Tag geben. Wer braucht eine bestimmte Anzahl Stunden pro Tag? Wir brauchen Leute, die ein bestimmtes Ergebnis abliefern. Mit vier Stunden, acht Stunden oder zwölf Stunden im Büro - sonntags kommen und Montags zu Hause bleiben. Es ist irrelevant für mich", erklärt Semler seltsam einleuchtend.

Keine Hierachie, dafür Teams

SemcoSemco ist etwas, dass es laut dem Menschenbild heutiger Manager eigentlich gar nicht geben dürfte. Und wenn doch, dann dürfte es nicht funktionieren. Tut es aber. Drei Fragen hört Semler immer wieder: Macht ihr das wirklich so? Funktioniert es ganz im Ernst? Und: Was jetzt?

Die ersten zwei sind einfach zu beantworten: "Wir machen das jetzt seit 25 Jahren, so ziemlicher jeder, den es wirklich interessiert, ist hergekommen, um zu sehen, ob es wahr ist. Und unsere Zahlen sind über jeden Zweifel erhaben", sagt Semler selbstbewusst.

Für ihn ist war das Aufbrechen der Unternehmensstruktur von Anfang an keine Traumtänzerei, sondern vielmehr die einzig mögliche Antwort auf unsere unmenschliche Arbeitswelt. Er hat es auf die harte Tour gelernt, wachte selbst erst auf, als er kollabierte und mit Komplett-Burnout in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Das war der Punkt, an dem er beschloss, seine geistige und körperliche Gesundheit nie mehr dem Job unterzuordnen - und das auch von seinen Angestellten nicht zu verlangen. Dass der Wahnsinn ein Ende haben muss.

"Wenn man es sich genauer ansieht, muss man feststellen, dass das traditionelle System nicht funktioniert. Und das ist der Anreiz, sich nach etwas anderem umzusehen" - so einfach sieht Semler das.

Doch es fehlt vielen Unternehmern noch immer schwer, die Kontrolle loszulassen. Denn heutige Firmen sind nicht aufgebaut wie Orte des Schöpfens, sondern wie das Militär: mit einer hierarchischen Machtstruktur, mit Befehlsgebern und -empfängern. Semco hingegen ist in konzentrischen und durchlässigen Kreisen aufgebaut, es gibt keine Arbeitstitel, keine festen Büros. Niemand muss zur Arbeit kommen, ob von zu Hause, aus dem Dschungel oder einem Cafe an der Strandpromenade gearbeitet wird, ist den einzelnen Mitarbeitern und Teams selbst überlassen.

Diese Teams sind das Herzstück von Semco. Die Menschen arbeiten in Gruppen, die jeweils ein Produkt oder ein Zwischenprodukt selbstständig fertigstellen. Wie sie das machen, in welcher Zeit und mit welchem Geld, das ist ihre Sache. Wer zwischendurch schlafen will, geht einfach in den Firmengarten und legt sich für ein paar Stunden in die Hängematte - wer müde ist, macht ja eh nur Fehler.


Die Firma ohne Personalabteilung

semco PersonalSemco hat 3000 Mitarbeiter, aber keine Personalabteilung, da steht dem traditionellen Unternehmer der Angstschweiß auf der Stirn. Wer stellt diese Leute ein? Wer überprüft die Leistung?

Das machen die Angestellten alles selbst. Stellt ein Team fest, dass eine neue Person gebraucht wird, schreibt sie im Intranet der Firma ein entsprechendes Meeting aus. Das ist natürlich freiwillig: Alle können kommen, keiner muss.

"Wir wollen nicht, dass irgendwer in etwas verwickelt wird, was ihn nicht interessiert, deshalb sind alle Meetings freiwillig. Das heißt die Meetings werden bekanntgegeben und wer interessiert ist, kann und wird vorbeikommen und soll in dem Moment den Raum wieder verlassen, wenn es anfängt, ihn zu langweilen", erklärt Semler die Meeting-Philosophie.

Leute, die mitten in einem Meeting gehen, weil es sie langweilt - das würde so manchen Vorgesetzten in den Wahnsinn treiben. Aber bei Semco sollen eben nur die Menschen eine Entscheidung treffen und tragen, die es unmittelbar angeht und interessiert.

Auf so einem Meeting könnte zum Beispiel beschlossen werden, dass neuer Mitarbeiter gebraucht wird und was er oder sie können muss. Dann wird gemeinschaftlich eine Annonce geschrieben, und sobald die Bewerbungen kommen, werden sie im Team aufgeteilt: Jeder, der möchte, nimmt einfach ein paar mit nach Hause und bringt die interessantesten dann wieder mit. Statt Vorstellungsgesprächen gibt es ein Gruppengespräch mit allen Kandidaten gleichzeitig - auch hier darf kommen, wer will.

Die einzigen Mitarbeiter, die regelmäßig formal bewertet werden, sind jene in Entscheidungs-Positionen - und zwar von allen anderen. Sollte einer dieser Manager wiederholt schlechte Bewertungen kriegen, geht er für gewöhnlich von selbst.

Gruppenzwang

Tatsächlich regeln die Teams fast alles unter sich. Macht jemand keinen guten Job, so wird das im Team diskutiert, oder ein Meeting einberufen. Wer sich ein hohes Gehalt zuteilt, erhöht damit auch die Erwartungen des Teams und den Leistungsdruck. Aber auch die Mitarbeiter haben mittlerweile ein anderes Verhältnis zur Arbeit: Wenn jemand einen Haufen Geld verdient, die ganze Woche eigentlich nur Golf spielt, aber trotzdem einen guten Job macht und seine Aufgaben erledigt - wen kümmert's dann? Was zählt, ist das Ergebnis.

Eine Studie von CNN hat festgestellt, dass die Mitarbeiter bei Semco eine sehr viel gesündere Balance zwischen Privatleben und Beruf haben, sich mehr Zeit für Beziehungen, Kinder und Hobbys nehmen, aber gleichzeitig auch ungewöhnlich hohen Einsatz und bemerkenswerte Leistungen im Beruf zeigen. Nicht trotz, sondern wegen der Freiheiten. Für Semler ist das wenig verwunderlich: Menschen müssen sich entfalten können, um ihr Potenzial optimal einzubringen.

Und es funktioniert

Semler ist sich sicher: Sein Konzept funktioniert überall. Er selbst hat es in Fabriken ebenso eingesetzt, wie in IT-Büros. Tatsächlich ist es eigentlich andersherum - es funktioniert überhaupt nur so. Unsere derzeitige Arbeitswelt mit ihren Burn-Out-Syndromen, mit Mobbing, Stress, Magengeschwüren und Depressionen funktioniert nämlich eben nicht, sie ist fortgesetzter Wahnsinn.

Es wird Zeit, dass wir eine Gesellschaft erschaffen, in der Beruf wieder mit Berufung und Leidenschaft assoziiert wird, nicht mit Sklaverei und Ausbeutung. In der Menschen wieder freie Entscheidungen treffen können und mit Respekt behandelt werden. In der Privatleben und Arbeit gleichwertig sind – auch für die Vorgesetzten. Es wird Zeit für das 7-Tage-Wochenende!

http://www.semco.com.br/en/

Gefunden auf Sein.de

Eine Bio-Strategie in Afrika ist die "Push-Pull"-Methode

on


"Wir versuchen, die Kräfte von der Natur zu benutzen, um natürliche Feinde zu fördern", sagt Christian Borgemeister in Nairobi. "Dies gelingt durch Mischkulturanbau oder andere agronomische Interventionen." Schädlinge wie der Stengelbohrer und das Wildkraut Striga vertreiben sich so auf den Feldern ganz ohne Chemie. Resultat seien bessere Ernten, weniger Hunger und eine nachhaltige Landwirtschaft, sagt er. Ein länderübergreifendes Projekt hat zum Ziel, die Methode großflächig zu verbreiten.

Ein Fokus liegt auf der praktischen Weiterbildung für Bäuerinnen. Gleichzeitig wird der Bio-Landbau mit einer Langzeitstudie wissenschaftlich untersucht.


"Biolandbau ist natürlich sehr wichtig", sagt Hans Herren von der Firma "BioVision" in Zürich. "Es ist eine nachhaltige Anbaumethode, die mit der Zeit mehr produziert und nicht weniger. Es ist für die Leute die beste Methode, weil sie sehr wenig externe Düngemittel und Pestizide brauchen." Eine der Bio-Strategie ist die "Push-Pull"-Methode, der gemeinsame Anbau von verschiedenen Nutzpflanzen. Diese wehren Schädlinge entweder ab oder ziehen sie an. "Ziel des Lehrmittels ist, den Bauern den Zugang zu der Methodik zu geben", sagt Herren. "Weil das Push-Pull nicht sehr einfach ist, es gibt verschiedene Schritte, die zum richtigen Zeitpunkt gemacht werden müssen."

Nachhaltige Landwirtschaft und beständige Ernten sind mit zunehmenden Klimaschwankungen auch in tropischen Gebieten immer wichtiger. Ein schweizerisches Forschungsprojekt startet in Afrika, Asien und Lateinamerika eine Langzeitstudie. Es werden ökologische Landwirtschaftsmethoden auf ihre Tauglichkeit zur Ernährungssicherung, zur Armutsbekämpfung und zum Schutz der Umwelt in den Tropen untersucht.

Quelle


Beliebte Posts

All IN ONE LiVE FEED

Follower

->